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Hamburg 2016

Der Startschuss war am 02.07.2016 an der Universität Hamburg. Den Auftakt gab Willibald Ruch, der dem Publikum erklärte, warum Stärken stärken stärkt. Nach seiner Auffassung wirken Stärken auf die „Erfüllung“ im Leben. Dabei lassen sich Stärken unterscheiden, die sich auf die allgemeine Lebenszufriedenheit auswirken und solche, die einen Einfluss auf die Arbeits-, Partnerschafts- und Schulzufriedenheit nehmen. Der logische Schluss daraus: Stärken lassen sich trainieren. Das wiederum bedeutet, dass sich die genannten Lebensbereiche zum Positiven hin verändern lassen, wenn man die betreffenden Stärken trainiert. Stärken stärken stärkt also tatsächlich!

Im Anschluss daran erzählten Ernst Fritz-Schubert, der Erfinder des Schulfachs „Glück“ gemeinsam mit seinen Kollegen Olaf-Axel Burow und Tobias Bode, wie die Praxis einer Positiven Pädagogik in Schulen aussehen kann. Die Erfahrung von Glück wirkt leistungssteigernd. Was ist also naheliegender, als Kinder bereits in der Schule an dieses Gefühl heranzuführen? Den Schlüssel hierfür sehen die Vortragenden in einer wertschätzenden Führung durch Lehrer und Lehrerinnen, die die Schüler und Schülerinnen dabei unterstützen, herauszufinden, worin sie gut sind und wo ihre Stärken liegen. Die Überlappung zu Willi Ruchs Ergebnissen wird spätestens hier deutlich und untermauert diese grundlegenden Erkenntnisse.

Der Nachmittag gehörte dann ganz einer der bekanntesten Größen der Positiven Psychologie: Barbara Fredrickson. Ausgehend von ihrer bereits bekanten „Broaden-and-Build“-Theorie der positiven Emotionen erläuterte die Sozialpsychologin ihre aktuelle Theorie der „Aufwärtsspirale der Positivität“. Nach dieser Theorie führt ein positiver Kontext zu positiven Gedanken und Handlungen. Diese wiederum bewirken positive Emotionen, die das Erleben mit positivem Sinn erfüllen. Das hat positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit und Fitness, die es uns wiederum ermöglichen, uns mehr in positiven Kontexten zu bewegen. Und der Kreis beginnt von neuem. Eine perfekte Aufwärtsspirale.

Seinen fulminanten Abschluss fand der Tag dann mit einem Vortrag von einem der bekanntesten Gesichter der deutschsprachigen psychologischen Forschung: Dr. Gerald Hüther. Er zeigte auf fulminanten Weise, wie sich Positive Psychologie mit seinem Konzept der Potentialentfaltung verschmelzen lassen.

Am Morgen des zweiten Tages wurde es neurobiologisch. Tobias Esch, seines Zeichens Arzt und Neurowissenschaftler, führte die TeilnehmerInnen auf eine Reise ins Gehirn um unsere dortigen Glückszentren zu erkunden. Einer der Hauptprädiktoren für die Abwesenheit von Glücksempfinden und Wohlbefinden ist nach Herrn Eschs Auffassung das Vorhandensein von negativem Stress. Dieser verhindert nämlich, dass wir in den berühmten „Flow“-Zustand geraten, der es uns erlaubt, ganz in einer Tätigkeit aufzugehen. Wäre uns dies möglich, würde unser Belohnungszentrum im Gehirn geradezu strahlen. Negativer Stress legt jedoch einen dicken Schleier über dieses Licht.

Anschließend übernahm der Initiator die Show. Philip Streit brachte die Positive Psychologie mit der Systemischen Therapie in Einklang und erklärte wo sich diese beiden Denkrichtungen ineinander verzahnen. Die Grundidee der Systemischen Therapie ist der Gedanke, dass sich jedes System verändern lässt („Nixx is Fixx“) und dass sich Probleme dekonstruieren lassen, indem man Lösungen konstruiert. Gerade hierfür eignen sich positiv psychologische Interventionen ideal. Sie ermöglichen Begegnung, entfalten Potentiale, utilisieren Niederlagen und schaffen Resilienz, sie kreieren neue positive Netze und Muster und bringen das Große und Ganze ins Spiel. Sie schaffen also Sinn und starten so die von Barbara Fredrickson entdeckte „Upward Spiral“.

Auf Philip Streit folgte Daniela Blickhan. Die Vorsitzende des Dachverbands Positive Psychologie zeigte auf, wie sich Aufblühen im Coaching erreichen lässt. Dies lässt sich bewerkstelligen, indem die drei wichtigsten Grundbedürfnisse erfüllt werden: Kompetenz (seine Stärken wirksam einsetzen können), Autonomie (Selbstbestimmt und in Einklang mit den eigenen Werten und jenen anderer entscheiden können) und Beziehung (Nähe und Vertrauen mit anderen zu teilen). Werden diese Bedürfnisse gestillt, steigert dies das psychische Wohlbefinden, es fördert positive Emotionen und Produktivität und es korreliert mit Gesundheit am Arbeitsplatz. Am Ende des Vortrages musste sich das Plenum die Frage stellen: „Wie hoch ist ihr Füllstand im Glas ihrer drei Grundbedürfnisse und wie sorgen Sie dafür, dass sie nachgefüllt werden?“

Anschließend übernahm ein alter Bekannter des Positiven Psychologiebewegung: Gunther Schmidt. Er versetzte das Publikum zwar nicht in Trance, erläuterte jedoch, was diese mit Positiven Interventionen hat. Unter Trance versteht man in der modernen Hypnotherapie sämtliche Erlebnis-Prozesse, bei denen unwillkürliches Erleben dominiert. Dieses Erleben kann entweder positiv (Lösungs-Trance-Erleben) oder negativ (Problem-Symptom-Trance) sein. Nach der Auffassung von Gunther Schmidt können die Maßnahmen der Positiven Psychologie (wie z.B. Übungen wie die 3 Blessings) als gezielte Interventionen zur Fokussierung auf die von ihr angestrebten Erlebnisprozesse verstanden werden, weil sie dazu beitragen, das Lösungs-Trance-Erleben zu fördern.

Nach dem Mittagessen war es Zeit für den fulminanten Abschluss der ersten Hälfte der Seligman Europe Tour 2016. Das Mastermind der Positiven Psychologie, Martin Seligman, betrat zum ersten Mal die Bühne und erstaunte das Publikum mit seiner überarbeiteten Version seines eigenen Konzepts der erlernten Hilflosigkeit. Wie sich herausstellt, ist erlernte Hilflosigkeit gerade das nicht, nämlich erlernt. Hilflosigkeit ist vielmehr das Grundverhalten, das bei Schockzuständen oder vermeintlich ausweglosen Situationen gezeigt wird. Diese Passivität kann jedoch durchbrochen werden, indem man lernt, die Kontrolle über sein Schicksal zu erlangen. Seine neuen Erkenntnisse begeisterten die ZuhörerInnen dermaßen, dass dem Vortrag von Martin Seligman minutenlanger Beifall mit Standing Ovation folgte. Diese Wertschätzung seiner Arbeit, rang sogar diesem Giganten die eine oder andere Träne ab. Ein perfekter Abschluss für den ersten Teil der Tour, wie wir finden!

Keynotes – Hamburg 2016